GID! Review: Blond – Martini Sprite

Weghören geht nicht

Irgendwie ist es schrill und verstörend, die Texte unverblümt, und trotzdem pfeffere ich das Album nicht in die Ecke, sondern höre es wieder und wieder – ich glaube das macht Kunst aus.

Das erste Album von Lotta und Nina Kummer zusammen mit Johann Bonitz als Trio Blond heißt Martini Sprite und ist am 31. Januar 2020 herausgekommen. Das Debütalbum wurde schon heiß ersehnt, schließlich hat die Band schon einiges an Konzerten hinter sich: beim Puls Open Air waren sie, bei Radar und noch Dutzenden anderen. Die Band kennt sich seit Kindertagen und macht auch knapp so lang gemeinsam Musik. Für „Die Zeit“ ist die Indie-Pop-Band auf Platz 68 der 100 wichtigsten jungen Ostdeutschen. Martini Sprite ist eine widersprüchliche Platte, teils grell-schriller Gesang mischt sich mit melodiös-eingängigen Popmelodien, und dazu Texte, die provokante Themen aufgreifen wie Regelschmerzen, Stalking oder Mansplaining. Vielleicht ist es diese komplizierte Jugend in Ostdeutschland, die sie repräsentieren sollen, wenn man andere Rezensionen liest – die Unbestechlichkeit, mit der sie ihren eigenen Stil durchziehen, lässt aber auch an den Punk der Achtziger Jahre denken. Sie selbst bezeichnen ihren Stil als „Las Vegas Glamour“ – sie treten auch gern in Glitzer-Outfits auf.

Wieder und wieder hören

Blond sind sehr höflich: Im Intro wünschen sie viel Spaß beim Hören, beim Outro danken sie für die Aufmerksamkeit. Dazwischen verwirren sie. Die Melodieführung ist per se eingängig, aber wird immer wieder unterbrochen von gegensätzlichen Stilelementen. Hier ein Beispiel: eine treibende Bass Drum beginnt den Song mit deutschsprachigem Gesang, steigert sich mit Bass und E-Gitarre, um dann von spitzen, schrillen Schreien unterbrochen zu werden. An anderer Stelle wechselt der Gesang plötzlich ins Englische und wird von verzerrten Synthesizern unterbrochen. Dabei werden Zitate wie Münchener Freiheits „das was ich will, bist du“ in einem Song über Stalking untergebracht, der Song “Kälberregen” lässt halluzinogene Drogen vermuten, und in einem Song kommt tatsächlich eine Rapeinlage vor. Die Musik dazu ist aber durchweg sehr gut gemacht, darum stört das alles nicht und man hört weiter.

Immer wieder denke ich an die neue deutsche Welle beim Hören, nicht um mit einer Band zu vergleichen – sondern wegen der Experimentierfreude und der absichtlichen Brüche. Denn wenn Blond dich beim Hören aus dem regelmäßigen Kopfnicken herausreist, mit grellen Gitarren, Rhythmuswechseln oder ähnlichem, dann passiert das mit Absicht. Und schon haben sie wieder meine Aufmerksamkeit: ich höre mir alle Texte ganz an, die mal sehr persönlich sind über das Tourleben mit Schlafsack und Ninas Magen-Darm, mal unverblümt („dann kicken meine Tage ein“) oder mir aus der Seele sprechen wie „Thorsten“, ein Lied über einen Mansplainer, den man sich auch in einem witzigen Video ansehen kann. Dennoch fehlt mir noch der Lieblings-Ohrwurm.

Blond - Martini Sprite
  • Unsere Wertung
4

Fazit

So geht Kunst
Es bleibt eine verwirrende Platte mit all ihren Gegensätzen, aber da hilft bei Musik doch nur eins: wieder und wieder hören. Und da kommt die Kunst ins Spiel: Martini Sprite nervt auch nach dem vierten Mal durchhören nicht, es gehen immer wieder andere Parts ins Ohr. Die Band macht Lust auf ein Live-Konzert. Wenn die Musik schon so abwechslungsreich und kreativ ist, wie müssen die Shows dann sein?

Lieblingszitat der Platte:
„Der Stau ist so lang wie mein Schwanz“ (Sanifair Millionär)

 

Blond auf Tour

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