X

GID! Interview mit Provinz: “Wir sind keine Fans von politisierenden Parolen”

Die Folk-Pop Band Provinz ist wohl einer der größten Newcomer des Jahres und spätestens nach der Veröffentlichung ihres Debuts Wir bauten uns Amerika sollte jedem klar sein, dass der Hype mehr als berechtigt war. Das Album greift viele Themen direkt aus dem Leben auf, von der wilden Partynacht mit bitterem Ende in “Wenn die Party vorbei ist” bis zum herzzerreißenden Trennungsschmerz in der neuen und letzten Single des Albums “Chaos”. Für Vincent, Robin, Moritz und Leon war 2020 eine echte Herausforderung. Wie soll man sich eigentlich als neue Band bewähren, wenn es keine Möglichkeiten gibt, live zu spielen? Glücklicherweise wurden schnell alternative Konzepte geschaffen, die gerade Nachwuchsmusiker*innen wichtige Auftrittsmöglichkeiten schufen. Im Interview erzählt Leon, wie sie mit der derzeitigen Situation umgehen, warum Picknickkonzerte eine gute Alternative für normale Konzerte sind und wie es mit Provinz und der Politik so aussieht. 

In der Großstadt erlebt man sehr viel verrücktes Zeug, was ja bekanntermaßen eine gute Voraussetzung für’s Songwriting ist. In der Provinz passiert in der Regel aber nicht so viel. Müsst ihr also immer raus in die Stadt fahren, um neue Inspirationen zu finden?

Nein, das würde ich so nicht sagen. In unseren Texten wird hauptsächlich Autobiographisches verarbeitet. Und davon viel aus unserer Jugend und unserem Aufwachsen, also weg von der Stadt. Klar sammelt man auch viele Eindrücke unterwegs und wir fahren auch viel von Großstadt zu Großstadt, aber wir würden zum Schreiben eher in die größte Pampa als in die Metropole fahren.

Euer Album Wir bauten uns Amerika ist nun schon eine Weile draußen. Seid ihr zufrieden mit der Resonanz?

Wir bekommen viel positives Feedback, das freut uns natürlich sehr. Aber hauptsächlich eben über Social Media und Ähnlichem. Das direkteste und schönste Feedback live auf Konzerten und Touren fällt Corona bedingt leider größtenteils aus, darauf müssen wir noch etwas warten.

Ihr habt mal in einem Interview erzählt, dass ihr einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack habt. Führt das dann oft zu Diskussionen untereinander während des kreativen Prozesses?

Es führt zumindest öfters mal zu unterschiedlichen “Visionen” für die Songs. Und das muss ausdiskutiert werden. Aber Alles in Allem finden wir immer einen guten Weg.

Wie sehr viele Künstler wurdet auch ihr von der Corona-Krise ausgebremst und das ausgerechnet zum Release eures Albums. Wie geht ihr mit der derzeitigen Situation um?

Wir hatten uns dieses Jahr natürlich auch ganz anders vorgestellt. Und auch wir hatten ein Tief, nachdem wir alle Touren, den Albumrelease und die Festivals verschieben und absagen mussten. Aber auf der anderen Seite hatten wir dadurch unfreiwillig sehr viel Zeit. Und diese haben wir dann zum Schreiben und Proben genutzt. Außerdem hatten wir trotz Corona noch die Möglichkeit, ein paar schöne Konzerte zu spielen.

Ihr hattet einige Auftritte im Rahmen der Picknick-Konzerte von Landstreicher Konzerte. Wie findet ihr die neuen Veranstaltungsformate, die aus der Not entstanden sind? Springt der Funke überhaupt über, wenn alle gemütlich auf ihren Picknickdecken chillen?

Für uns war die Idee der Picknickkonzerte überragend! Im Gegensatz zu vielen anderen Musikern haben wir nicht vor hupenden Autolichtern spielen müssen, sondern vor echten Gesichtern und einem richtigen Publikum. Und wie viel Bock alle hatten, die dabei waren, war deutlich zu spüren. Im Endeffekt waren die Konzerte gar nicht so extrem anders als übliche Festival Auftritte, nur etwas verteilter. Und es saßen auch die wenigsten Leute gemütlich auf der Decke, die meisten sind direkt aufgestanden und haben mitgetanzt. Picknickkonzerte sind für uns die beste Alternative zu den normalen Konzerten, eine sehr gute Sache!

Leon mit Provinz beim Picknickkonzert am 14. August in Berlin | Foto: Thomas Eger für Genre is Dead!

In Songs wie “Macht Platz!” oder “Wenn die Party vorbei ist” thematisiert ihr den Rausch einer Partynacht und ihr jähes Ende. Was gehört für euch zu einer perfekten Party und wie kommt ihr danach wieder runter?

Essenziell sind natürlich die richtigen Leute und die richtige Musik. Der Rest ist dann fast schon irrelevant.
Danach meistens noch einen Happen essen und Musik hören oder machen. Und in Vincents Fall oft auch noch Musik schreiben.

Euer Album trägt den Titel “Wir bauten uns Amerika” – eine Metapher, die für euch wohl eher einen persönlichen Bezug hat. Nichtsdestotrotz bietet es sich natürlich jetzt an, das an dieser Stelle für einen kleinen politischen Exkurs auszunutzen. Im November ist wohl eine der wichtigsten Wahlen in der amerikanischen Geschichte und generell hat sich die politische Lage weltweit zugespitzt. Welches Verhältnis habt ihr als Band zur Politik allgemein? Ist es euch wichtig, euch in diesen doch sehr politisierten Zeiten zu positionieren oder seid ihr eher unpolitisch?

Natürlich verfolgen auch wir täglich die Nachrichten und reden viel darüber. Generell sind wir der Meinung, dass man mit einer gewissen Reichweite auch eine gewisse Verantwortung hat. Aber wir sind keine Fans von politisierenden Parolen, sondern eher von der Anregung zum Nachdenken und zum selbst handeln.
Trotz allem machen wir das nicht sehr aggressiv in der Öffentlichkeit sondern nur dann, wenn es sich richtig anfühlt.
Bezüglich Trump sind wir einfach froh, wenn sich die Amerikaner bei dieser Wahl etwas mehr besinnen oder Logik und Vernunft walten lassen und Trump bald nichts mehr zu melden hat…

Welche Pläne habt ihr für den Rest des Jahres? Ein großes Thema ist sicherlich, dass es im Winter eher schwierig wird mit Open Air Konzerten. Wird es dennoch eine Möglichkeit geben, euch Corona-konform live zu erleben?

Bisher haben wir da noch nicht so viel im Kalender stehen. Wir werden auf jeden Fall weiterhin neuen Songs schreiben und proben und an uns arbeiten. Wir hoffen einfach, dass die Touren nächstes Jahr alle stattfinden können… Und was dann noch kommt, werden wir sehen. 

Welchen Künstler bzw. welches Album hört ihr gerade am meisten? Habt ihr musikalische Geheimtipps für unsere Leser? 

Ein Künstler, der jetzt gerade viel bei uns im Tourbus gehört wird ist Role Model mit dem Song “Minimal”. Ebenso Cros Single “Fall auf” oder “rue” von girl in red.

Lieben Dank für das Interview!

Wir bauten uns Amerika ist überall verfügbar, wo es gute Musik gibt. Folgt Provinz auf Facebook und Instagram

 

Provinz beim Picknickkonzert am 14. August in Berlin

 

Melissa Wilke:
Related Post